UWG – Fraktion im Kreistag
Siegen-Wittgenstein
Beitrag zum Haushalt 2020
Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Damen und Herren des Kreistags,
ich möchte meinen Beitrag zum Haushalt 2020 mit der Bemerkung beginnen, dass die Wirkung und Nachhaltigkeit von Haushaltsreden zumeist völlig überschätzt wird. Die fatale Lage und die negativen Rahmenbedingungen, denen alle kommunalen Mandatsträger, egal welcher politischen Ausrichtung sie angehören, ausgesetzt sind, reduzieren die ehemals vorhandenen Spielräume für ein politisches Gestalten nachhaltig. Heute ist das politische Handeln im kommunalen Bereich bestimmt von dem Diktat der negativen Haushalte und der Ohnmacht zu erkennen, dass die Möglichkeiten eines Entgegensteuerns im Sinne einer Haushaltskonsolidierung ausgesprochen gering und die überwiegenden Ausgabepositionen fremdbestimmt und somit nicht mehr beherrschbar sind.
Darum ist auch der Haushaltsplan des Kreises Siegen-Wittgenstein – und das sage ich mit einer gehörigen Portion Sarkasmus- ein ganz normaler Haushalt.
Es ist nämlich mittlerweile ganz normal geworden, einen Haushalt zu präsentieren und beschließen zu müssen, der von Defiziten geprägt ist, der im Bereich der Einnahmen einen geringeren Betrag ausweist, als in den Ausgaben.
Normal deshalb, weil wir landauf, landab bei Gemeinden, Städten, kreisfreien Städten und Kreisen fast nur noch derart geprägte Haushalte zur Kenntnis nehmen müssen. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben uns insgeheim daran gewöhnt, dass es so ist – es ist ganz normal geworden.
Deshalb möchte ich Sie auch nicht mit der Wiederholung des Inhalts des insgesamt 720 Seiten umfassenden 2-bändigen Werkes mit dem Arbeitstitel „Entwurf Haushaltssatzung 2020“ langweilen.
Ich werde daher auf einige, „dicke Brocken“, die uns im Haushaltsjahr 2020“ einem Kommunalwahljahr noch reichlich beschäftigen werden, eingehen.
Zum Thema ÖPNV
Ein die letzten Monate beherrschendes Thema ist der ÖPNV, mit der „in der in die Hose gegangenen“ Vergabe des Linienbündels Mitte. Das allein hätte die Bürgerschaft allerdings nicht so in Rage gebracht. Die dauerhaft ausfallenden Busse und das scheibchenweise Bekanntwerden, dass diese Ausfälle in dem Fehlen von Busfahrern und nicht durch fehlende Busse oder eine zu große Taktung gegründet war und ist, hat zu dem deutlich hörbaren und ausdrücklich begründeten Aufschrei der Bevölkerung geführt. Man musste zur Kenntnis nehmen, dass Busfahrer auch in den Ruhestand gehen und Nachfolger, die zu den gültigen tariflichen Bedingungen diesen Beruf ausüben wollen, nicht auf den Bäumen wachsen.
Hier scheint sich ja ein Umdenken einzelner Tarifpartner abzuzeichnen und die laut hörbare Werbeaktion des Kreises und der Verkehrsverbände erste Früchte zu tragen. Eine nachhaltige Verbesserung ist aber leider bestenfalls mittelfristig absehbar.
Sehr schnell wurden die ersten Rufe laut, wonach in der Vergangenheit alles besser gewesen sei und man die VWS niemals hätte verkaufen dürfen. Wenn wir –also der Kreis- wieder Eigentümer dieser VWS würden, würde alles wieder gut.
Die Begrifflichkeit der „Rekommunalisierung“ der VWS machte die Runde. Der Kreistag hat in der Folge, auch mit den Stimmen der UWG, einer gutachterlichen Bewertung dieses Ansinnens unter Berücksichtigung der jetzigen rechtlichen Rahmenbedingungen zugestimmt. Ich bin gespannt, zu welchem Ergebnis die Gutachter kommen werden.
Aber meine Damen und Herren, um einer Legendenbildung entgegen zu wirken, ein paar Erläuterungen und zur Auffrischung der damaligen Begründung für den Verkauf:
Der Kreistag sah sich vor dem Hintergrund des veränderten europäischen Ausschreibungsrechtes in der Situation, dass die damalige VWS in Anbetracht der tatsächlichen Kostensituation bei einer europaweiten Ausschreibung und des sich abzeichnenden Wettbewerbs auf diesem Sektor wohl keine Chance für eine Zuschlagserteilung haben würde.
Die Folge wäre gewesen, dass der Kreis Eigentümer eines Verkehrsbetriebes ohne Beförderungsauftrag gewesen wäre. Die Folgen für die Mitarbeiterschaft können Sie sich selbst ausmalen. Zudem gab es das Problem des dann für den Kreis fälligen Ablösebetrags für die Zusatzversorgung der Mitarbeiter/innen von ca. 18 Millionen Euro, der voll auf die Kreisumlage durchgeschlagen hätte. Nicht auszumalen für die kreisangehörigen Städte und Gemeinden.
Insoweit bleibe ich dabei, dass die damalige Verkaufsentscheidung die richtige war. Die Entwicklung, wonach alle nachfolgenden Eigentümer den eigenwirtschaftlichen Betrieb nicht erreicht und Millionenbeträge abschreiben mussten, unterstreicht die Richtigkeit meiner zuvor gemachten Aussage. Ich gehe auch davon aus, dass die Gutachter bei der aktuellen Beurteilung der Lage kaum zu einem anderen Ergebnis kommen werden. Denn das zuvor genannte Vergaberisiko würde nach unserer Einschätzung bei Übernahme der VWS durch den Kreis auch heute noch bestehen.
Aber: schauen wir mal, ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen!
Zum Thema Wohnraum- und Wohnbaulandmobilisierung in Siegen Wittgenstein.
Es ist ohne Zweifel richtig, dass in den letzten Jahren immer weniger Wohnungen für sozialschwache Familien neu gebaut wurden und zunehmend Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung durch Zeitablauf gefallen sind. Auch die in den letzten 2 Jahrzehnten geänderte Anforderungsstruktur mit einem erhöhten Anteil von Singlehaushalten und Alleinerziehenden macht ein Handlungserfordernis für die Unterstützung der Schaffung weiteren Wohnraums deutlich. Für Singles und Alleinerziehende ist die Wohnungssuche ein oftmals fast hoffnungsloses Unterfangen. Hier sehen wir deutlichen Handlungsbedarf. Wir werden dieses Projekt dennoch kritisch begleiten und abwarten, wie die Berichte des Landrats zu den erreichten Wirkungen ausfallen, denn eine jährliche Zuführung mit Finanzmitteln des Kreises von bis zu 5 Mio. Euro ist nur dann zu rechtfertigen, wenn sich die erwarteten Verbesserungen auch tatsächlich einstellen und das Programm auch wirklich angenommen wird.
Zum Thema Verwaltungsneubau.
Hier möchten wir zuerst das Ergebnis des beschlossenen Gutachtens abwarten und insbesondere den tatsächlichen Raumbedarf nochmals auf den Prüfstand stellen. Es ist unbestritten, dass eine auf viele Nebenstellen ausgelagerte Verwaltung allein durch die längeren Wege Effizienzverluste zu verzeichnen hat. Hier gilt es aber abzuwägen wo ein möglichst zentrales oder dezentrales, oftmals näher am Kunden vorgehaltenes Dienstleistungsangebot, insbesondere im Sinne einer bürgernahen Verwaltung sinnvoll ist. Auch die Kostenfrage wird für uns in Anbetracht der Finanzlage unseres Kreises eine nicht unbedeutende Rolle spielen.
Zum Thema Kreisumlage – Ausgleichsrücklage
Die Höhe der jeweiligen Kreisumlage ist jedes Jahr eine durchaus spannende Angelegenheit. Gilt es doch die Zusammenstellung aller Kosten und Aufwendungen sowie der zu erwartenden Einnahmen zusammenzufassen und die Umlagegrundlagen für die Kreisumlage festzulegen. Im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung der Städte und Gemeinden spielen dabei in jedem Jahr die Stellungnahmen der Bürgermeisterkonferenzen zum Haushaltsentwurf eine große Rolle. Paul Breuer erklärte deren jährliche Stellungnahmen und die nachfolgenden Verhandlungen etwas despektierlich zu rituellen Fußwaschungen. Wir sehen dies anders, da die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister natürlich mit der jeweils eigenen Brille, die Ansätze des Kreises und damit auch der Höhe der jeweiligen Kreisumlage kommentieren und auf deren eigene Situation hinweisen.
In den letzten Jahren war es oftmals die UWG, die mit einem Antrag auf Reduzierung des Hebesatzes und mit Beteiligung der überwiegenden Stimmen des Kreistags den ursprünglich angestrebten Ansatz der Verwaltung etwas verhagelte. Der Hintergrund war jeweils eine andere Betrachtung wie groß der Schluck aus der Ausgleichsrücklage denn sein sollte. Bei der Schaffung der Ausgleichsrücklage im Rahmen der Einführung des NKF war diese mit anfänglich rund 52. Mio. für den Kreis genehmigt. Wir sind damals davon ausgegangen, dass die Inanspruchnahme dieses „theoretischen Geldes“ in den ersten 5 Jahren maximal 50 % betragen sollte. Die tatsächliche Inanspruchnahme war aufgrund der sich regelmäßig einstellenden Haushaltsverbesserungen, was auch seitens der Bürgermeisterkonferenzen kritisch betrachtet wurde, erheblich geringer. Nachweislich des Entwurfs der Haushaltssatzung gehen wir zum 31.12.2019 von einem Stand der Ausgleichsrücklage von 19,6 Mio. Euro aus.
Wir, als Vertreter der UWG-Kreistagsfraktion sagen, dass dies insgesamt ein Zeichen für eine vorausschauende und auf Langfristigkeit ausgelegte Haushaltspolitik des Kreises war und ist. Wenn man bedenkt, dass viele Kommunen in NRW, auch im Kreis Siegen-Wittgenstein, ihre eigene Ausgleichsrücklage zugunsten eines fragwürdigen Einmaleffektes bereits im ersten Jahr vollends verausgabt haben, wird die Unterschiedlichkeit des Handelns deutlich.
Wie Sie dem ursprünglichen Entwurf der Satzung entnehmen, hielten Landrat und Kämmerer in Anbetracht der gestiegenen Kosten die Erhöhung des Hebesatzes der allgemeinen Kreisumlage um 1 Prozentpunkt auf 37,8% für erforderlich. Die Stellungnahme der Bürgermeisterkonferenz war deutlich, man forderte eindringlich eine Reduzierung des Satzes um 0,5%, also eine Reduzierung des veranschlagten Hebesatzes um satte 1,5 % auf 36,3%.
Als ich dann in der Presse las, dass der Landrat den Forderungen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister entsprechen wollte, konnte ich es erst gar nicht glauben. Aber Wahljahr ist Wahljahr und nach dem Motto des alten Spruches „ein Schelm, wer Böses dabei denkt“, hab ich mir auch gesagt, lass es doch laufen. Denn jeder weiß, wenn die Ausgleichsrücklage des Kreises aufgebraucht ist, schlagen die Kosten 1 zu 1 auf die Umlagegrundlagen durch.
Wir halten die Reduzierung für vorsichtig gesagt für mutig, werden den Vorschlag aber, insbesondere im Interesse der Kommunen im Kreis Siegen- Wittgenstein, mittragen
Ein letzter Punkt:
Die Kosten der Jugend- und Sozialhilfe laufen uns davon! Wenn wir diese Kostensteigerungen nicht in den Griff bekommen, werden wir die Packenden nicht mehr zusammen bekommen. Das heißt, wir müssen uns, ob es uns passt oder nicht, neben den allgemeinen Kostenblöcken explizit auch diesen, ich sage mal „dicken Brocken“ widmen. Wir haben hierzu zum Haushalt 2019 einen Antrag gestellt, die Kosten der Jugend- und Sozialhilfe mit auf den Prüfstand zu stellen und in Bereichen, in denen Ausschreibungsverfahren zulässig und geeignet sein könnten, die Einführung entsprechender Verfahren in Anlehnung an die Praxis im Märkischen Kreis zu überprüfen. Diesem Antrag hat der Kreistag mit großer Mehrheit zugestimmt.
Die Umsetzung unseres Antrages gestaltete sich insgesamt etwas schleppend. Für Irritationen sorgte zugegebenermaßen unsere Formulierung „öffentliche Ausschreibung“. Es stellte sich nämlich heraus, dass es, entgegen unseren Informationen, öffentliche Ausschreibungen in diesem Bereich im Märkischen Kreis nicht gegeben hatte. Ausschreibungen in diesem Bereich, so unsere Fachverwaltung, seien indes nicht zulässig. Zwischenzeitlich steht aber eindeutig fest, dass das Land NRW Vergabeverfahren auch in diesem Bereich ausdrücklich zulässt.
Uns ging es dabei deutlich nicht darum, zwingend eine öffentliche Ausschreibung vorzunehmen, sondern in einem Wettbewerbsverfahren, zeitlich befristet, Leistungen zu vergeben. Und genau das hat man, wie in einem gemeinsam mit der Fachverwaltung durchgeführten Gespräch vom Märkischen Kreis ausgeführt, dort gemacht. Einzelne geeignete Leistungsbereiche wurden unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung der Trägervielfalt allen geeigneten Trägern angeboten und der jeweils Günstigste – nicht zwingend der Billigste- im Sinne des Ausschreibungsprofils mit der Aufgabe betraut. So stellen wir uns dies auch in Siegen-Wittgenstein vor.
Wir erwarten im Rahmen der gutachterlichen Begleitung Anfang des Jahres erste Ansätze für eine in diesen Bereichen angepasste Verfahrensweise, die dann auch Gegenstand der weiteren Diskussion in den Gremien des Kreistages sein sollen. Hierbei werden wir dem tatsächlichen Umsetzungswillen große Aufmerksamkeit widmen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mit meinen Ausführungen hiermit schließen. Wir werden dem Haushalt in der nunmehr vorliegenden Form mit der Ankündigung, die Umsetzung und die anstehenden Beschlüsse in den angesprochenen Handlungsfeldern kritisch-konstruktiv zu begleiten, zustimmen.
Zum Schluss ist es mir ein Bedürfnis, mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung für die im vergangenen Jahr geleistete Arbeit zu bedanken. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien eine schöne Adventszeit, ein fröhliches Weihnachtsfest sowie ein vor allem gesundes und erfolgreiches Jahr 2020.
Glückauf